Philip Waechter im Interview: Über Humor, Stifte & Kinderbücher

Philip Waechter beim ZeichnenPhilip Waechter ist so etwas wie der Feingeist unter den Illustratoren. Seine Bilder haben einen teils unterschwelligen Humor und seine Figuren kommen immer überaus liebenswert daher. Kein Wunder, dass ihm sein Hase Rosi total ans Herz gewachsen ist. Das erzählte uns Philip Waechter im exklusiven Interview mit Kinderbuch-Fuchs.de. Zudem berichtet uns der Frankfurter von seinem brandneuen Buch, gibt Lese-Tipps von seinem Sohn weiter und zeigt Bilder von seiner Arbeit.  Für alle, die hinter die Kulissen sehen wollen, liefert der 50- jährige Künstler jede Menge Backgroundwissen und erklärt, wie und mit welchen Stiften er zeichnet. Und nun viel Spaß beim Lesen!

Kinderbuch-Fuchs.de: Hallo Herr Waechter. Schön, dass Sie Zeit für uns haben. „Rosi in der Geisterbahn“ ist eins unserer Lieblingsbücher. Ich als Erwachsene liebe es und meine 2,5-jährigen Zwillinge auch. Wie alt ist eigentlich ihre Kern-Zielgruppe?
Philip Waechter: Ich denke, dass es Bücher sind, die Eltern ihren Kindern vorlesen. Die meisten sind etwa 5, 6 Jahre alt.

Kinderbuch-Fuchs.de Haben Sie sich beim Schreiben des Buchs einen Leser vorgestellt?
Philip Waechter: Eigentlich nicht. Mein Sohn war damals noch nicht auf der Welt. Mein Ziel war, dass sowohl die Kinder daran Spaß haben als auch die Person, die die Geschichte vorliest. Also auch die Eltern, Tanten, Onkel und Großeltern. Und es muss mir Freude machen. Ich muss es interessant und lustig finden, das ist die Hauptkraft die dahintersteht.

Philip Waechter: „Kinder lieben es, wenn etwas schief geht“

Kinderbuch-Fuchs.de: Ihre Bücher sind subtil lustig. Was glauben Sie: Welchen Humor haben Kinder?
Philip Waechter: Slapstick-Szenen wie bei „Dick und Doof“ kommen immer an. Ich habe ein Buch gemacht, in dem sich ein Kind auf ein Surfbrett stellt, eine Welle haut es um und es fliegt durch die Luft. Da lachen Kinder, obwohl es ja auch ein bisschen traurig ist. Kinder lieben es, wenn etwas schief geht. Ich denke, dass Kinder mit Ironie noch nicht zurechtkommen. Das Buch „Ich“ beispielsweise funktioniert auf einer Ironie-Schiene. Da gibt es eine Szene, in dem der Bär Bonbons aus einem riesigen Glas verteilt und dazu sagt: „Ich teile gern.“ – Bei diesem Bild habe ich bei Lesungen gemerkt, dass der Witz noch nicht funktioniert.

Kinderbuch-Fuchs.de: Und worüber können Sie lachen?
Philip Waechter: Schwierig, da muss ich überlegen… Gerhard Polt und Helge Schneider finde ich lustig und Martina Hill auch manchmal.

Kinderbuch-Fuchs.de: Sie haben schon sehr viele Bücher veröffentlicht. Welches war Ihr Lieblingsprojekt?
Philip Waechter: Viele Bücher waren zu einer bestimmten Zeit wichtig für mich. Es begann mit den ersten Veröffentlichungen, später mit ersten eigenen Texten. „Die Geschichte meines Opas“ ist 2003 erschienen. An „Rosi in der Geisterbahn“ habe ich lange gefeilt. Beim Arbeiten ist mir die Figur Rosi sehr ans Herz gewachsen. Irgendwann hatte ich dieses Wesen total gern, als hätte ich sie genau kennen gelernt und ich wusste genau, wie sich Rosi in verschiedenen Situationen verhalten würde. Das sind Prozesse, die sehr spannend sind.

Rosi in der Geisterbahn

Kinderbuch-Fuchs.de: Dann ist Rosi eine Ihrer Lieblingsfiguren?
Philip Waechter: Ja, sie ist eine davon.

Kinderbuch-Fuchs.de: Im Zimmer von Rosi hängt lustigerweise auch ein Bild vom Bären auch „Ich“.
Philip Waechter: Ja, es gibt immer wieder Zitate, das macht mir Spaß.

Als Kind liebte er „Was ist was?“-Bücher

Kinderbuch-Fuchs.de: Welche Bücher mochten Sie gern als Kind?
Philip Waechter: Ich mochte Natur-Bücher „Was ist was?“ z.B. über die Tiere Australiens. „Der kleine Nick“ und „Die Geschichte vom glücklich Löwen“ haben mir auch gut gefallen und auch alle Bücher von Richard Scarry. Auch Comics mit Donald Duck habe ich viel gelesen, Mickey Mouse mochte ich nicht so gern.

Kinderbuch-Fuchs.de: Und welche Kinderbücher gefallen Ihnen heute?
Philip Waechter: Da gibt es sehr viele. Die Zeichner Jean-Jacques Sempé, Jutta Bauer und Axel Scheffler schätze ich sehr sowie Marc Boutavant, Thé Tjong-Khing und Eva Muggenthaler.

Kinderbuch-Fuchs.de: Wie alt ist denn Ihr Sohn und was mag er?
Philip Waechter: Er ist zwölf und liest sehr viel. Zum Beispiel ganz viel von Roald Dahl, alles von David Williams, Kinderland von Mawil,  alle Bände von Woodwalker, Sally Jones von Jakob Wegelius, Mississippi- Bande von David Morosinotto und Cornelia Panzacch, viele Comics und auch dicke Schinken wie „Seeland“ und „Mount Caravan“ von Anna Ruhe. Momentan liest er „Der kleine Hobbit“.

Im August kommt ein neues Kinderbuch raus

Kinderbuch-Fuchs.de: Was können Sie uns schon über Ihr neues Projekt erzählen?
Philip Waechter: Es ist ein für mich ungewöhnlich umfangreiches Comicbuch. Auf 64 Seiten und neun kleinen Episoden geht es um einen Jungen, der Geld verdienen möchte, weil er sich neue Fußballschuhe kaufen will. Aber es will nicht so richtig klappen. Das Buch heißt „TONI und alles nur wegen Renato Flash“ und erscheint im August.

Kinderbuch-Fuchs.de: Das klingt fast so als würden die Geschichten mit Ihrem Sohn mitwachsen.
Philip Waechter: Eigentlich ist es für Jüngere. Aber es stimmt schon irgendwie.

Kinderbuch-Fuchs.de: Schaut Ihr Sohn auch über Ihre Bücher drüber?
Philip Waechter: Ja, er sagt offen, was er gut und nicht so gut findet. Er ist ein scharfer Kritiker.

Kinderbuch-Fuchs.de: Zeichnet er auch?
Philip Waechter: Ja, er zeichnet auch, aber seine Leidenschaft für Musik und sein Schlagzeug ist noch größer.

Kinderbuch-Fuchs.de: Und Sie? Haben Sie mit zwölf Jahren schon gezeichnet?
Philip Waechter: Ja. In meiner Kindheit habe ich viel in meiner Freizeit gezeichnet, auch immer wieder Comics, habe dabei aber oft sehr schnell wieder aufgegeben . Damals hatte ich noch keine genaue Figur vor Augen. Es sah nie so aus wie ich es mir in der Fantasie vorgestellt habe. Ich habe es nicht hingekriegt, eine Figur zu erfinden, die von vorne genau wie von der Seite wiedererkennbar ist. Und mit einer einfachen Darstellungsform habe ich mich nicht zufrieden gegeben.

Philip Waechter fertigt ein Bild an

Kinderbuch-Fuchs.de: Dann mussten Sie das Zeichnen von Grund auf lernen?
Philip Waechter: Ich habe es immer wieder probiert und irgendwann wurde es besser. Die Zeichnerei habe ich dann auch im Studium gelernt. Es ist eine schwierige Sache, Figuren zu zeichnen, die man immer wiedererkennen kann.

„Ich mache jeden Tag eine kleine Zeichnung – wie ein Tagebuch“

Kinderbuch-Fuchs.de: Wie können wir es uns vorstellen, wenn Sie ein neues Buch zeichnen?Philip Waechter: Viel entsteht durch Erlebtes im Alltag so wie das Buch übers Zelten. Das Buch „Ich“ war ursprünglich ein Weihnachts-Geschenk für meine Frau. Ich mache jeden Tag eine kleine Zeichnung – wie ein Tagebuch, daraus entstehen immer wieder Ideen.. Als mein Sohn geboren wurde, drehte sich alles um die Welt meines Kindes und ich habe daraus das Buch „Sohntage“ gemacht. Das ist vielmehr ein Buch für Erwachsene. Das Buch „So ein Tag“ knüpft daran an. Manche Ideen kommen aber auch direkt von meinem Sohn.

Kinderbuch-Fuchs.de: Ihnen mangelt es also kaum an Ideen…
Philip Waechter: Nein, manche Ideen entstehen auch einfach beim Zeichnen. Ich scribble Figuren und Situationen. Bei Rosi gab es erst das Titelbild von Rosi und dem Monster. Erst danach ist die Geschichte entstanden.

Kinderbuch-Fuchs.de: Sie zeichnen also komplett von Hand, ganz ohne Computer…
Philip Waechter: Ja, mit Stift und Papier, ganz klassisch.

Philip Waechter zeichnet mit Copic Markern

Kinderbuch-Fuchs.de: Mit welchen Stiften zeichnen Sie denn?
Philip Waechter: Mit unterschiedlichen, schwarzen Tuschestiften und farbigen Filzstiften wie „Copic Marker“. Zu den Filzstiften gibt es seperate Tusche in den jeweiligen Farbtönen, die man auf eine Art Schwamm träufeln kann, um größere Flächen anzulegen. Es ist also eine Mischtechnik aus Tuschestiften, Filzstiften, Buntstiften und farbiger Tusche.

Kinderbuch-Fuchs.de: Wie groß ist das Original-Bild zum Beispiel bei Rosi?
Philip Waechter: Das ist 1:1 angelegt.

Kinderbuch-Fuchs.de: Ui, so klein?
Philip Waechter: Anfangs habe ich die Bilder viel größer angelegt, aber davon bin ich weg. Ich zeichne viel lieber klein.

Kellner Zeichnung ohne Tusche

Schritt 1: Zeichnung ohne Tusche

Kellner mit Tellern: Zeichnung von Philip Waechter

Fertige Zeichnung von Philip Waechter

Kinderbuch-Fuchs.de: Sie arbeiten mit Künstler in einem gemeinsamen Atelier zusammen. Ich stelle mir das als sehr kreatives Umfeld vor… 
Philip Waechter: Ja, wir haben zu acht eine Etage gemietet, auf der jeder sein Plätzchen hat. Wir haben alle Kinder und Familie. Wohnen und Arbeiten trennen wir strikt. Das gemeinschaftliche Arbeiten ist oft lustig und kreativ, aber auch nicht immer. Jeder macht in erster Linie seine eigenen Projekte. Der Austausch findet hauptsächlich in den Mittagspausen statt. Wir kochen zusammen oder gehen essen. Dann reden wir viel und haben Zeit und Muße zu erzählen. Dazu gehören auch geschäftliche Dinge. Immer wieder machen wir Gemeinschafts-Projekte: Unsere Kritzelbücher gbt es seit fast zehn Jahren. Das ist eine schöne , aber oft auch anstrengende Arbeit.

Kinderbuch-Fuchs.de: Wie lange arbeiten Sie schon so zusammen?
Philip Waechter: Seit etwa 20 Jahren. Es gibt einen festen Stamm. Es gab auch mal Wechsel, aber eigentlich ist es sehr stabil. Seit acht Jahren gibt es gar keinen Wechsel mehr.

Kinderbuch-Fuchs.de: Haben Sie auch mal drüber nachgedacht wegzugehen – nach Berlin oder nach Paris vielleicht?
Philip Waechter: Nach dem Studium. Ich komme aus Frankfurt, lebte dann in Wiesbaden und habe in Mainz studiert. Alle sind ausgeschwirrt in die weite Welt. Berlin war durchaus mal ein Thema. Aber dann hat es sich doch ergeben, dass wir wieder nach Frankfurt gezogen sind.

Kinderbuch-Fuchs.de: Und dann kam auch schon das Atelier Labor…
Philip Waechter: Genau. Damals hätten wir nicht gedacht, dass es so lange hält. Aber es ist wirklich eine gute Sache…

Kinderbuch-Fuchs.de: Vielen lieben Dank für Ihre Zeit und alles Gute fürs neue Buch!

Philip Waechters neues Buch „TONI und alles nur wegen Renato Flash“ erscheint am 20.8. bei Beltz und Gelberg. Hier geht’s direkt zur Webseite des Ateliers Laborproben.  Übrigens: Auch Hasenkind-Erfinder Jörg Mühle ist Mitglied der Künstler-Gemeinschaft.

 

Bilder: Philip Waechter; Belz&Gelberg; „Der Flugplatzspatz nahm auf dem Flugblatt Platz“ (Schnellsprecher und Zungenbrecher) mit Moni Port (Text), Klett Kinderbuch 2017.

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